Die niederösterreichische Landesverwaltung entwickelte eine Client-Server-Lösung, mit der Amtsärzte und Bezirksverwaltungsbehörden sofort auf notwendige Echtzeitdaten zur Bekämpfung des Covid-19 Virus zugreifen können.
Die neue Applikation namens MEPI (Meldung Epidemiologisches Informationssystem) versetzt Verantwortliche in die Lage, aussagekräftige Corona-Cluster-Analysen zu erstellen und schnell datenbasierte Entscheidungen zu treffen.
Ausgangslage
Für die Bekämpfung des Covid-19-Virus sind in Österreich der Bund, die Landesverwaltung und Bezirksverwaltungsbehörden zuständig. Sie müssen weitreichende Entscheidungen für Gesellschaft und Wirtschaft treffen, um das Virus zu begrenzen und eine Weiterverbreitung zu verhindern. Die Entscheidungsfindung, zum Beispiel für Schutz- oder Lockerungsmaßnahmen, stützt sich dabei zu einem großen Teil auf Auswertungen und Statistiken.
Das erfordert eine vollständige, korrekte und digitale Erfassung aller notwendigen Daten von Ärzten, Krankenhäusern, Laboren, Bund- und Landesbehörden. Der Bund überwacht Infektionskrankheiten wie Covid-19 mit Hilfe des IT-Systems EMS (Epidemiologisches Meldesystem).
Auf Landesebene stand die niederösterreichische Landesverwaltung vor der Herausforderung, sehr schnell eine zuverlässige und flexible digitale Lösung für den Austausch Covid-19-relevanter Daten aus der Region zu entwickeln und die Applikation an digitale Systeme des Bundes und andere anzubinden.
Eine zentrale Anforderung war, allen Amtsärzten und involvierten Behörden notwendige Corona-Daten schnell zur Verfügung zu stellen. Der elektronische Datenaustausch von Laborbefunden sollte bestmöglich unterstützt werden. Datenflüsse mussten optimiert, einheitliche Strukturen und Statistiken geschaffen werden. Eine Hauptanforderung für die technische Umsetzung war, die Vielzahl unterschiedlicher Datenquellen zu integrieren.
Lösung
Für die Applikationsentwicklung waren eine enorme Geschwindigkeit und ein hochgradiger, flexibler Anpassungsspielraum (technisch und funktional) an aktuelle Geschehnisse wie neue Corona-Gesetze entscheidend. Nach einer Entwicklungszeit von nur sieben Arbeitstagen schaltete die NÖ-Landesverwaltung die neue Client-Server-Applikation auf Basis der Entwicklungsplattform Magic xpa und einer SQL-Datenbank für eine Bezirksverwaltungsbehörde und die Stabsabteilung in der NÖ-Landesverwaltung live. Fünf Tage später arbeiteten bereits alle 20 Bezirksmannschaften und die Stabsabteilung mit der Applikation. „Mit der ausgewählten Technologie konnten wir alle Anforderungen optimal umsetzen, wir bleiben agil und handlungsfähig“, so Baumann.
Auf alle Datenquellen zugreifen und Datenpool erweitern
Mit der neuen Applikation können User jetzt schnell auf notwendige Corona-Informationen unabhängig von der Datenquelle zugreifen. Dazu gehören Personendaten mit Angabe des Wohnortes, alle Kontaktpersonen von positiv getesteten Personen und deren Verbindungen zu anderen Personen, was eine Rückverfolgung der Infektionsketten ermöglicht.
Zu weiteren Daten gehören alle Probenergebnisse der Labore mit Probeentnahmedatum, Befundergebnis und Daten über erlassene Bescheide (z.B. Absonderung oder Aufhebungsbescheid) sowie Clusterdefinitionen.
Urlaubsrückkehrer
Der Datenumfang wurde um Erhebungs- und Genesungsdaten erweitert. Diese wichtige Maßnahme versetzt die NÖ-Bezirksverwaltungsbehörden jetzt in die Lage, kritische Daten bei der Erhebung eines neuen positiven Falls oder nach einer Genesung für Statistiken aufzunehmen und auszuwerten. Dazu gehört die Information, wann und wo sich ein Urlaubsrückkehrer vermutlich angesteckt hat sowie eventuell angeordnete Quarantänemaßnahmen.
Die Corona-Applikation verhindert eine doppelte Datenerfassung von Personen in den Systemen. Das stellt sicher, dass jede Person nur einmal angelegt ist und keine Duplikate die Statistiken verfälschen. Durch eine digitale Abtretung von Personen zwischen den Bezirksverwaltungsbehörden können die Daten der Personen von den jeweils zuständigen Behörden bearbeitet werden.
Laborbefunde schnell verfügbar machen
Die neue digitale Lösung ermöglicht den Massenimport von Befunden aus Landeskliniken und Laboren. Täglich werden bis zu 1.800 Datensätze aus XML- und Excel-Daten importiert. Laborbefunde in PDF-Dokumenten lassen sich automatisch aus eMails importieren. Das erspart viel Zeit und reduziert die manuelle Fehlerquote. Im Vorfeld wird jedes Proberöhrchen mit einem Barcode versehen. Die Labore weisen diesen Barcode zusammen mit dem entsprechenden Befund aus. Die Applikation liest Barcodes aus dem PDF File automatisch aus, ordnet sie der jeweiligen Person zu und speichert das PDF File entsprechend mit ab. Im Falle eines negativen Covid-19-Befundes erhält die getestete Person das Ergebnis per SMS oder eMail zugeschickt und muss nicht lange warten. Positiv getestete Personen werden telefonisch benachrichtigt.
Digital an staatliche Systeme anbinden
Die Applikation wurde mit dem Elektronischen Akt (ELAK) verbunden, einer elektronischen Aktenbearbeitung des Landes Niederösterreich. Dadurch werden Geschäftsfälle und Personendaten automatisch erstellt und Inhalte aus dem ELAK in der Applikation dargestellt.
Die neue Lösung ist zudem mit dem zentralen Melderegister in Österreich verknüpft, so lassen sich eingegebene Namen und Wohnorte überprüfen und übernehmen. Die Integration an das EMS-System (Epidemiologisches Meldesystem) des Bundes macht es möglich, die erfassten Personen- und auch Kontaktdaten ins staatliche System hochzuladen und bidirektional zu übermitteln. Doppelte Eingaben gehören der Vergangenheit an.
Weitere Vorteile
Einheitliche Statistiken schaffen: Aussagekräftige Statistiken erleichtern die Arbeit. Einheitliche Excel-Vorlagen, vordefinierte Grafiken, Dashboard-Ansicht und Statistiken unterstützen die Nutzer dabei, zeitsparend Gruppierungen, Analysen und Diagramme vorzunehmen.
Dazulernen mit Corona Cluster-Auswertungen: Mit Hilfe von Cluster-Auswertungen erlangen die Behörden wichtige Erkenntnisse darüber, Übertragungsketten im Land zu identifizieren und zu durchbrechen. Entscheidungen könneb auf Basis von Echtzeitdaten getroffen werden. Wichtige Rückschlüsse können darüber gezogen werden, wie sich ein Krankheitsausbruch innerhalb von Niederösterreich verbreitet hat: Wie, wo und wann haben sich Menschen infiziert?
Die neue Corona Applikation ermöglicht jetzt Auswertungen über Kontaktverlauf und Ansteckungen in einer Baum-Struktur (Clusterdarstellung). Über ein Druckprogramm lässt sich der Ansteckungsbaum einer positiv getesteten Person bis zur 7. Ebene abbilden. Das System füllt fehlende Informationen und Verknüpfungen automatisch auf. Das unterstützt die Cluster-Erfassung und damit zentrale epidemiologische Analysen in Niederösterreich und bundesweit.
Vielfach genutzt
Alle benötigten Covid-19 Daten werden jetzt vollständig digital erfasst, zusammengeführt, verteilt, weiterverarbeitet und analysiert. Ing. Baumann Reinhold zeigt sich zufrieden: „Die Applikation ist ein gutes Beispiel für gelebte Digitalisierung und das Feedback unserer Benutzer ist in allen Dienststellen überaus positiv.“
Rund 1.100 Behördenmitarbeiter arbeiten derzeit täglich damit: Sachbearbeiter der Stabsabteilung in der NÖ-Landesverwaltung und Sanitätsdirektion und zuständige Mitarbeiter aller 20 Bezirksmannschaften und 4 Magistrate. Sie arbeiten effizienter, sparen sich wertvolle Zeit bei administrativen Tätigkeiten und verkürzen so spürbar ihre Reaktionszeiten bei auftretenden Covid-19-Fällen. Außerdem werden die getesteten Personen dadurch sehr rasch informiert und die Bescheide können binnen kürzester Zeit generiert und zugestellt werden.
Die elektronische Anbindung der Corona Applikation an staatliche eGovernment Systeme unterstützt den Bund bei der herausfordernden Bekämpfung des Corona-Virus. Zusätzlich können zu den in der Applikation gespeicherten Personen nun auch die Anträge auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz erfasst und abgewickelt werden. Auch hier wurde der elektronische Akt des Landes Niederösterreich (ELAK) eingebunden und eine Schnittstelle zur Auszahlung und Anweisung über Telebanking integriert.
Wie geht’s weiter?
Die Applikation wird kontinuierlich weiterentwickelt und um notwendige Funktionen erweitert. Das Ziel bleibt, den wachsenden Datenfluss weiterhin unter Kontrolle zu halten. Im Rahmen der Bekämpfung des Covid-19-Virus entstehen täglich neue Datenmengen, beispielsweise durch erweiterte Cluster-Auswertungen, das Standardisieren von Datenbeständen oder das freiwillige periodische Testen von Personen.
Bildnachweis: Landesverwaltung Niederösterreich